Type and Space
Kurzbeschreibung:
Das Type And Space-Projekt beschäftigt sich mit dem Thema Typografie und Perspektive. Ein Betrachter bewegt sich vor einer installierten 90°-Ecke aus Rückprofolie, hinter der sich zwei Beamer befinden, die je auf eine Seite der Rückpro-Ecke ein typografisches Bild projizieren. Der Betrachter wird von mehreren Sensoren erfasst, die je nach seiner Position das typografische Bild perspektivisch so verzerren, dass es für den Betrachter nicht so aussieht, als laufe das Bild über eine Ecke, sondern so, als stehe es flach vor ihm - quasi wie auf einer unsichtbaren Wand.
Projekt
Im Type And Space-Projekt werden Typografie und Raumwahrnehmung, bzw. -wahrnehmbarkeit thematisiert. Räume haben Tiefe, die der Betrachter nicht nur durch die unterschiedliche Verteilung von Licht und Schatten wahrnimmt, sondern auch durch perspektivische Verkürzungen von all jenen Oberflächen und Körpern, die nicht parallel der inneren Bildebene des Betrachters sind. Während Raum jeden in im eingebrachten Körper zu einem 3D-Objekt macht, funktioniert das Typografische nach wie vor meist nur in der 2D-Form.
Nun ist aber Typografie häufig untrennbar mit Raum verbunden, und für einen klassischen „Buch“-Staben sind perspektivische Verkürzung, wie sie uns im täglichen Leben am Raum begegnen, problematisch. Die Formen der Buchstaben, aus denen sich ihre Bedeutung herleiten lässt, und aus deren Zusammensetzung zum Wort sich erst ein Wortsinn ergibt, sind nur in ihrer konventionellen und eingeschränkten Form erkennbar (also letztlich in Form des Grafems). Ein klassischer Buchstabe wird im Raum verzerrt sobald der Betrachter sich aus dem Winkel der Lesbarkeit herausbewegt. Das Grafem wird aus Sicht des sich bewegenden Betrachters zu einer Unform zusammen geschoben. Das Zeichen wird unlesbar.
Man könnte sagen, ein Wort, das man nicht lesen kann, ist sinnlos. Genauso könnte man sagen, dass eine bestimmte Position in einem Raum, aus der heraus ein Leser oder Betrachter einen Schriftzug nicht entziffern kann, genauso wenig Sinn macht. Dennoch gibt es keine Möglichkeit diese Positionen der Sinnlosigkeit bei der Bewegung durch den Raum auszulassen. Wahrscheinlich bringen eher weniger Menschen genügend Interesse und Sensibilität auf, um den Wunsch zu entwickeln, die Stellen, an denen sie nicht die ganze Schönheit einer typografischen Form in der Weise wie sie gedacht ist (nämlich frontal), wahrnehmen können, zu umgehen. Warum sollte man auch so sparsam sein, wenn es einen Weg gibt, die durch Raum verursachte typografisch sinnfreien Räume zu eliminieren?
Grundidee
Die 3D-Welt ist voller Verzerrung, und ihre Korrelationen mit der 2D-Welt, in der sich unsere Kommunikation (noch) zwingend fortentwickelt, beeinflussen die ästhetischen und inhaltlichen Möglichkeiten negativ. All das hängt zusammen mit dem Grundgedanken des hergebrachten typografischen Zeichens als flachem Buchstaben. Das Type And Space-Projekt, das im Rahmen es Projektes „Raumstaben“ entwickelt wurde, ist ein Versuch, die Grenzen typografischer Funktionalität und Ästhetik, die auf Ebenen basieren, nicht nur von Neuem auszuloten, sondern zu erweitern. Es wird davon ausgegangen, dass Raum kein Hindernis für Zeichensinn, und Zeichenfunktion sein muss, und dass Typen für den Raum auf eine Art nutzbar gemacht werden können, die geeignet ist, zu faszinieren.
Mit digitalen Mitteln wird eine wahrnehmungstechnische Raumtransformation vorgenommen, die Tiefe in Ebene verwandelt. Die Sinnlosigkeit unlesbar verzerrter Buchstaben wird nicht länger als natürliche Voraussetzung betrachtet.
Bespielt wird eines der problematischeren Raumelemente: die Ecke. Ecken sind jene Raumelemente an denen sich zwei Wände treffen, meist in einem 90°-Winkel. Eine Ecke besteht aus zwei Teilen mit unterschiedlichen Eigenschaften, bei gleichzeitiger, relativer Kongruenz zueinander. Buchstaben auf Ecken werden in zwei Richtungen verkürzt.
Außenecken haben noch die zusätzliche Eigenschaft, dass man, wenn man direkt vor der einen Wand steht, die zweite Wand nicht mehr sehen kann. Die Problematik der Wahrnehmbarkeit wird hier also noch etwas komplexer. Ein Raumelement mit diesen Eigenschaften scheint sehr geeignet, daran Raumstaben zu erzeugen.
Umfang
Ungeachtet dem Potenzial, das der Umgang mit Typografie als Anamorphose z.B. für den öffentlichen Raum hat (zum Beispiel in Leitsystemen), wird hier zunächst im Kleinen von einer einzelnen Raumecke von nicht mehr als 5 qMetern Ausdehnung ausgegangen, die in einem Abstand von vorerst nur höchstens 2,5 Metern betrachtet wird.
Herangehensweise
Einzelne Typen oder Schriftzüge werden an der Außenecke zunächst in einer Weise perspektivisch verformt, dass die natürlich entstehende Verkürzung für den Betrachter, der sich mit dieser Raumsituation direkt konfrontiert, ausgeglichen wird. Die Zeile, die auf beide Wände projiziert wird, ist eigentlich eine Anamorphose. Sie ist für den Betrachter aber so lesbar, als wäre sie auf eine plane Wand projiziert. Die Raumstaben auf der Ecke reagieren auf den Akteur im Raum. Dieser kann sich vor der Ecke hin und her bewegen, und die Zeichen werden ihm folgen, ohne sich vor ihm perspektivisch zu verzerren. Die Zeichen verformen sich so, dass der Schriftzug für den Betrachter (oder Akteur) immer plan wirkt - unabhängig davon, an welcher Stelle dieser steht. Im Idealfall gewinnt der Akteur den Eindruck, als befände sich vor ihm eine unsichtbare, plane Bildebene, auf der ein Schriftzug verläuft, wobei diese „Ebene“ scheinbar seiner eigenen Bewegung folgt. Der Akteur sieht zwar die Raumstruktur im Hintergrund, und bemerkt die Tiefe, die durch die Raumsituation entsteht. Vor ihm schwebt aber plan der Schriftzug, dessen Zeichenformen in seinen Augen statisch und unverzerrt bleiben - anders als er es von allen vorherigen Raumerfahrungen kennt.
Eine weitere Ebene ist die Veränderung der Größe der Typen in der Weise, dass der Akteur den Eindruck hat, die Größe der Typen bliebe immer gleich, wenn er die Distanz zu der Ecke verändert. So entsteht auch ein neuer Raum, zwischen Raumstaben und Ecke - ein Zwischenraum, der nicht begehbar ist, weil er ständig vor dem Akteur zurückweicht.
Da eine ununterbrochene Bewegung der typografischen Zeile allerdings technisch noch schwer umzusetzen ist, (und einigen Betrachtern zu aggressiv erscheint) werden nur bestimmte Positionen abgefragt.
Die Installation richtet sich an den teilnehmenden Betrachter, sowie an Nebenstehende. Nur dem Betrachter, der im Aufbau steht, und sich darin bewegt, wird ein Textzeile erscheinen, als stehe sie quasi im Raum. Nebenstehende Betrachter werden die Zerzerrung der Staben an der Projektion miterleben können, auch bis zu dem Punkt, an dem die Raumstaben für sie nicht mehr lesbar sein werden.
Aufbaukonzept
Geplant ist, in einem 90°-Winkel zwei Rahmen zueinander aufzustellen, so dass diese eine Ecke bilden. Die Rahmen sind mit Rückpro-Folie bespannt, und so beschaffen, dass die Rahmenseiten, an denen sich diese beiden Schirme treffen, möglichst dünn sind, so dass zwischen beiden kein Spalt bleibt, und dass sie keinen Schatten auf die Projektion werfen.
Bestandteile des Grundaufbaus (ohne Details)
--- 2 Beamer
--- 1 Rechner
--- 2 Rückpro-Rahmen - verbunden
--- mehrere kleinere Sensoren - oder (falls qualitativ machbar) 2 Kameras
--- Markierungen, die dem Betrachter angeben, wo der begehbare Bereich endet, und wo die Sensorpositionen sind.
typeandspace03_05.swf (60.13 Kb)
also see:aufbau-von-oben02.swf
Weitere Ideen und Formkonzepte
Drei Grundkonzepte wurden im Rahmen des Type-And-Space-Projektes entwickelt:
1.) Die Idee der bewegten (bzw. für den Betrachter statischen) Zeile. Vor den Augen des Betrachters befindet sich eine einzelne Zeile in der Breite der beiden Rückpro-Schirme - bei paralleler Sicht zu einem einzigen Rückproschirm in der Breite dieses einen. Es wäre wahrscheinlich auch möglich einen Text von rechts nach links durch den Schirm fahren zu lassen, anstatt mit einem statischen Text zu arbeiten. Eine Umsetzung würde ein umfassendes Sensorensystem erfordern.
2.) Eine weiterführende Idee ist die Fortführung eines früheren Konzepts vom Raum als Buch. Angenommen, ein Raum ist das Buch „Die Bibliothek von Babel“ von Jorge L. Borges. Dann wären in diesem Raum dieselbe Anzahl von Buchstaben gespeichert, wie sie auch in dem Buch vorhanden sind, also vielleicht 1.234.097 A´s, und 456700 B´s, 2.456.935 E´s etc. All diese Buchstaben laufen einzeln und ungeordnet über die Wände, Decke und Fußboden des Raumes, und ordnen sich an einem bestimmten Fixpunkt zu lesbaren Worten. Auf der zu bespielenden Ecke würden also in vertikaler Richtung nach unten oder oben Buchstaben verlaufen, sich auf einer definierten Höhe zu einem Wort zusammen setzen, und sich auf gleiche Weise wieder auflösen, um ein neues Wort zu bilden.
3.) Das dritte Konzept ist formal gesehen das einfachste, und vielleicht elementarste. Es sieht einfach vor, über die Außenecke formatfüllend einzelne Raumstaben erscheinen zu lassen, die sich dann ausblenden, und von einem nächsten Raumstaben abgelöst werden. Hier wird kein Inhalt transportiert. Das Projekt wird auf die Kernidee des Raumstabens reduziert, denn die gezeigten Staben wären im grundlegenden Sinn schon Raumstaben - Staben, die nur an Raum denkbar und funktionstüchtig sind. Auch diese Zeichen pendeln mit dem Akteur hin und her, und werden größer und kleiner, je nach Bewegung des Akteurs.
Unabhängig davon, welches Konzept zum Zuge kommt, wird das Bild, das die Installation erzeugt, von Farbwechseln bestimmt, die beim Betrachter Nachbilder in Form typografischer Zeichen erzeugen. Dies, und die „Perspektivkorrektur“ der Buchstaben sollte theoretisch den Effekt haben, dass der Akteur den Eindruck hat, als könne er die Raumstaben vor ihm tatsächlich anfassen.
Ziel der Arbeit
Die durch die unklaren Raumverhältnisse erzeugte Irritation soll Spannung erzeugen, die über einen rein funktionalen oder ästhetischen Ansatz hinausgeht. Am Ende steht ein raumtypografisches Erlebnis zum Angebot, durch das dann wieder neue Ideen generiert werden können.
Der funktionelle Ansatz des gesamten Projektes ist letztlich die Lesbarkeit von Typografie im Raum. Die Anwendungsmöglichkeiten im Alltagsleben wären vielfältig.